Nicht-zufällige Segregation von Chromosomen bei der Meiose Eine Übersicht über die Literatur von 1908 bis 1995
von Klaus Frisch
Diploide Organismen (also die große Mehrheit der bekannten Lebewesen) haben in ihren Zellkernen zwei komplette Sätze von Chromosomen: einen von der Mutter und einen vom Vater. Bei der Bildung der Geschlechtszellen wird die Zahl der Chromosomen durch eine Reduktionsteilung oder Meiose auf einen Satz reduziert. Über diesen Vorgang stehen in den Lehrbüchern Sätze wie der folgende: “Bei der Meiose kommt es zu einer vollständigen Vermischung und zu einer zufallsmäßigen Verteilung der ursprünglich väterlichen und ursprünglich mütterlichen Chromosomen.” (R. Knippers, Molekulare Genetik, 3. Aufl. 1982, Hervorhebung K.F.) Daß es auch zahlreiche, teils erhebliche Abweichungen von dieser Regel gibt, ist dagegen wenig bekannt. Obwohl seit 1908 immer wieder bei vielen Organismen eine nicht-zufällige Segregation (Verteilung) der Chromosomen bei der Meiose als regelmäßige Erscheinung beobachtet und beschrieben wurde, fehlt bis heute eine Übersicht über die Verbreitung und über die Vielfalt dieser Ausnahmen. Diese Übersicht soll dieser Web-Artikel geben. (Siehe außerdem den Link am Ende dieser Seite.) Die dafür berücksichtigte Literatur umfaßt nahezu ein ganzes Jahrhundert. Leider mußte die Recherche auf dem Stand von 1995 bzw. Anfang 1996 abgebrochen werden, und einer Publikation standen damals und in den Folgejahren verschiedene Hindernisse im Weg. (Noch heute - Sommer 2001 - versucht die Universität Witten/Herdecke, bei der ich in diesem Zusammenhang zeitweilig angestellt war, mich an Publikationen zu diesem Thema zu hindern.) Der Artikel ist in mehrere Teile untergliedert. Zunächst schildere ich kurz, wie sich in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts die Lehre von der Zufälligkeit der meiotischen Segregation etablierte, obwohl diesbezügliche Untersuchungen anfangs nur eine beachtliche Reihe von Beispielen nicht-zufälliger Segregation erbrachten. Im zweiten Teil werden die bekannten Fälle dargestellt, in denen einzelne Chromosomen bzw. einzelne Paare homologer Chromosomen nicht-zufällig auf die Meiose-Produkte verteilt werden. Im dritten Teil geht es um die koordinierte Segregation zweier oder mehrerer nicht-homologer Chromosomen bzw. Chromosomen-Paare. Die extremsten Fälle, in denen ganze Chromosomensätze (= haploide Genome) nicht-zufällig segregieren, sind Gegenstand des vierten Teils. Und schließlich ist noch eine zusammenfassende Diskussion vorgesehen. Dieser Web-Artikel sollte auch für interessierte Nicht-Fachleute lesbar sein. Deshalb versuche ich, Fachtermini sparsam zu verwenden und bei ihrer Einführung jeweils kurz zu erläutern. Auch erlaube ich mir mitunter, unter Fachleuten gebräuchliche Bezeichnungen durch leichter eingängige Umschreibungen zu ersetzen. Dennoch muß ich gewisse biologische Grundkenntnisse voraussetzen, insbesondere über den Ablauf und die Bedeutung der Meiose. Die im Text zitierte Literatur ist jeweils am Ende der betreffenden Seite alphabetisch aufgelistet. Die Quellenangaben sollen dem Leser ermöglichen, zu allem hier Beschriebenen die wichtigsten Originalarbeiten oder ausführlichere Reviews zu finden. Teil I: Eine kurze historische Einführung Teil II: Nicht-zufällige Segregation einzelner Chromosomen oder Chromosomen-Paare Teil III: Koordinierte Segregation verschiedener (nicht-homologer) Chromosomen (in Vorbereitung) Teil IV: Nicht-zufällige Segregation ganzer Chromosomen-Sätze (= haploider Genome) (in Vorbereitung) Teil V: Diskussion (geplant) Für näher Interessierte steht ergänzend eine etwas provisorische, aber detaillierte Monographie zum Download bereit (PDF, 925 kb, 109 Seiten). Sie umfaßt das ganze Thema und ist im Stil einer Dissertation - aber auf Deutsch - abgefaßt. Copyright Klaus Frisch 2001 |
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